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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und seine Auswirkung auf das Arbeitsrecht

Eine Einführung

Inhaltsverzeichnis

  • Einleitung
  • Welche Gründe können eine gesetzeswidrige Benachteiligung auslösen?

    In welchen Rechtsbereichen ist man gegen eine Benachteiligung aus den genannten Gründen durch das AGG geschützt?

    Welche Arten möglicher Benachteiligung gibt es?

    Wer fällt in den Anwendungsbereich des Gesetzes?

  • Gibt es auch zulässige Ungleichbehandlung?
  • Was muss der Arbeitgeber tun?
  • Welche Rechte stehen dem benachteiligten Beschäftigten zu?
  • Unter welchen Umständen haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Beschäftigten? Wie ist die Haftung ausgestaltet?
  • Wie ist die Darlegungs- und Beweislast in einem Rechtstreit ausgestaltet?
  • Missbrauch des AGG
  • Fazit

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

  1. Der deutsche Gesetzgeber ist gezwungen gewesen, europäische Antidiskriminierungsrichtlinien in nationale Gesetze umzusetzen. Das Ergebnis heißt nun Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und ist am 18.08.2006 in Kraft getreten.

    Ein Statistiker der Universität von Kalifornien in Hayward fand heraus, dass Frauen bei Wal-Mart im Schnitt 4,38 Jahre bis zur Beförderung brauchen, Männer 2,86 Jahre. Abteilungsleiterinnen verdienen im Schnitt 18 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Auf der Grundlage dieser Zahlen ließ ein Gericht in Kalifornien im Juni 2004 eine Sammelklage von Wal-Mart -Verkäuferinnen gegen den Supermarkt wegen systematischer Diskriminierung seiner weiblichen Angestellten zu. Bis zu 1,6 Millionen aktuelle und ehemalige weibliche Wal-Mart-Angestellte könnten sich der Sammelklage anschließen. Selbst wenn eine Jury jeder Frau nur eine bescheidene Summe zusprechen würde, läge der Betrag weit jenseits der Milliardengrenze. Eine Verteidigung gegen eine solche Masse von Klägern dürfte für Wal-Mart von vornherein aussichtslos sein. Typisch USA? Oder kann ähnliches zukünftig auch in Deutschland passieren (Röder/Krieger, Einführung in das neue Antidiskriminierungsrecht, FA 2006, 199)?

  2. Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist die Verhinderung oder Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen

    • der Rasse oder ethnischen Herkunft
    • des Geschlechts
    • der Religion oder Weltanschauung
    • einer Behinderung
    • des Alters
    • der sexuellen Identität.

    Dies ergibt sich aus § 1 AGG.

    In § 2 AGG sind Anwendungsbereiche geregelt, die sich in acht Unterpunkte gliedern. Die ersten vier Unterpunkte betreffen im weitesten Sinne das Arbeitsrecht, der fünfte Unterpunkt den Sozialschutz und die Gesundheitsdienste, der sechste Unterpunkt die sozialen Vergünstigungen, der siebente Unterpunkt die Bildung und der achte u. a. den Zugang zu Wohnraum, also das Mietrecht.

    In § 3 des Gesetzes ist dann definiert, welche Arten möglicher Benachteiligungen geschehen können. Es wird die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung definiert, sowie unter welchen Voraussetzungen Belästigungen und sexuelle Belästigungen als Benachteiligung gelten.

    Eine Benachteiligung liegt vor, wenn im Vergleich zweier Personen, von denen die eine Person eines der in § 1 genannten Merkmale aufweist, während die Vergleichsperson dieses Merkmal nicht oder in einer anderen Art und Weise hat, sich eine ungünstigere Behandlung feststellen lässt. Diese ungünstigere Behandlung wird in der Regel leicht feststellbar sein, z. B. eine niedrigere Bezahlung oder das Betroffensein von einer Kündigung. In Einzelfällen kann dies aber auch schwieriger sein, z.B. bei einem Einsatz an unterschiedlichen Orten, bzw. bei einer Betrauung mit unterschiedlichen Tätigkeiten.

    Damit das AGG zur Anwendung kommen kann, muss allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der ungünstigeren Behandlung und dem Vorhandensein der in § 1 des Gesetzes genannten Merkmale vorliegen. Dabei erstreckt sich der Vergleich nicht nur auf eine tatsächlich erfolgte unterschiedliche Behandlung, sondern auch darauf, ob der Arbeitgeber einen anderen Arbeitnehmer besser behandeln würde, wäre er an der gleichen Stelle wie der diskriminierte Arbeitnehmer. Beispiel: Der Arbeitgeber teilt einem türkischen Arbeitnehmer mit, einem deutschen Arbeitnehmer, der dieselbe Tätigkeit ausüben würde, würde er mehr Geld bezahlen.

    Unmittelbar ist die Benachteiligung, wenn die unterschiedliche Behandlung direkt an ein Merkmal gem. § 1 AGG anknüpft.

    Wenn sich eine solche Benachteiligung durch dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren ergibt, die nicht sachlich gerechtfertigt sind, so ist diese Benachteiligung mittelbar. Dies kann in Fällen auftreten, in denen Gruppen von Personen anders behandelt werden, z. B. Vorschriften für geringfügige Beschäftigte oder für Teilzeitkräfte, da hier Frauen überrepräsentiert sind.

    Eine mittelbare Diskriminierung sah der EuGH zum Beispiel in einer englischen Regelung, dass ein Sterbegeld nur für diejenigen Arbeitnehmer bezahlt werde, die sich im eigenen Land begraben lassen. Dies benachteiligt die Rechte von Wanderarbeitnehmern, da diese häufiger nicht in ihrem Heimatland begraben werden (EuGH v. 23.05.1996, C-237/94).

    Eine Belästigung ist eine unerwünschte Verhaltensweise, die bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird und ein von Einschüchterungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen etc. gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

    Sexuelle Belästigung ist darüber hinaus vorliegend, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. D. h., ein von Einschüchterungen, Anfeindungen etc. gekennzeichnetes Umfeld muss nicht vorliegen, um eine sexuelle Belästigung zu begründen. Zu dem sexuell bestimmten Verhalten gehören insbesondere unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts, sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen. Als Beispiel hierzu das PinUp - Girl auf der Außenseite des Spindes, ein Klaps auf den Po etc..

    Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass auch die Anweisung zu einer Benachteiligung, z.B. durch den Vorgesetzten oder den Arbeitgeber als benachteiligend i. S. d. AGG zu sehen ist.

    Geschützt sind Beschäftigte im Sinne des Gesetzes. Das Gesetz fasst diesen Begriff allerdings sehr weit, so dass hierzu sowohl Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende, arbeitnehmer-ähnliche Personen und sogar Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis zählen, daneben sogar noch Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.
    Als Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes gelten dementsprechend die Personen, die die oben genannten Personen beschäftigen oder beauftragen.

  3. In AGG sind andererseits auch Fälle zulässiger Ungleichbehandlung geregelt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Rechtfertigungsgründen, die in § 5 und § 8 geregelt sind und besonderen Rechtfertigungsgründe, die in § 9 und §10 geregelt sind. Letztere betreffen nur eine Ungleichbehandlung wegen Religion oder Weltanschauung (§ 9) und wegen des Alters (§ 10) betreffen.

    Als positive Maßnahme ist eine unterschiedliche Behandlung dann zulässig, wenn durch sie bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden (§ 5 AGG). Beispiel: Ein Sprachkurs für Mitarbeiter mit Migrationshintergrund.

    In § 8 ist geregelt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen zulässig sein kann. Dieser § 8 ist allerdings sehr auslegungsbedürftig und es muss sich zeigen, in welcher Form die Rechtsprechung diesen noch konkretisiert. Ob eine zulässige berufliche Anforderung vorliegt, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, ist z. B. äußerst fraglich bei der Auswahl von Bedienungspersonal in Flugzeugen oder Gaststätten, wo eben das jugendliche Alter oder das weibliche Geschlecht seitens der Arbeitgeber als wichtig angesehen werden. Dies dürfte aber wohl keine zulässige berufliche Anforderung darstellen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Fraglich könnte es auch sein bei einer unterschiedlichen Bezahlung eines Fleischers, der aus religiösen Gründen nicht mit Schweinefleisch umgehen darf.

    Andererseits ist es umgekehrt für Religionsgemeinschaften oder Einrichtungen oder Vereinigungen, die sich auf Grund der gemeinsamen Weltanschauung zusammengefunden haben, als Arbeitgeber zulässig, Arbeitnehmer unterschiedlich zu behandeln (§ 9 AGG). Dies bedeutet in einem katholischen Krankenhaus kann der Arbeitgeber Wert darauf legen, dass die Angestellten nur Christen sind oder Religionslehrer nicht in wilder Ehe leben.

    Eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist in § 10 geregelt, muss allerdings objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Es ist dann beispielhaft eine Aufzählung von acht Punkten im Gesetz enthalten für zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters. In diesem Zusammenhang hat der EuGH unter Anwendung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie in dem Fall Mangold ./. Helm entschieden, dass § 14 Abs. 3 des deutschen Teilzeit- und Befristungsgesetzes eine unangemessene Altersdiskriminierung darstellt.
    In § 14 Abs. 3 TzBfG ist nämlich geregelt, dass Arbeitnehmer ab einem bestimmtem Alter erleichtert befristet eingestellt werden können. Der EuGH begründete seine Entscheidung damit, dass dies eine Altersdiskriminierung darstellt, weil außer dem Alter keine weiteren Kriterien wie z.B. lange Arbeitslosigkeit oder ähnliches im Gesetz enthalten sind. (EuGH vom 22.11.2005, C-144/04)

    Dies lässt befürchten, dass viele kollektivrechtliche Regelungen in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen einer Überprüfung anhand dieses Maßstabes ebenfalls nicht standhalten werden.

  4. Die Organisationspflichten des Arbeitgebers sind in den §§ 11 ff. geregelt:

    Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 ausgeschrieben werden (§ 11 AGG).

    Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen, dies auch vorbeugend (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 u. 2 AGG)!!

    Er soll zudem in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Eine Schulung in geeigneter Weise zum Zweck der Verhinderung von Benachteiligungen gilt als Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 (§ 12 Abs. 2 AGG).

    Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung, wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen (§ 12 Abs. 2 AGG).

    Die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Schutzmaßnahmen sind auch zu treffen, sobald Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte (z. B. Lieferanten oder Kunden) nach § 7 Abs. 1 benachteiligt werden (§ 12 Abs. 4 AGG).

    Die Erfüllung dieser vorbeugenden Maßnahmen durch den Arbeitgeber ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen und entsprechenden Verstößen durch Beschäftigte ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bestehen kann (§ 15 AGG). Der Arbeitgeber ist deswegen gut beraten, die Durchführung der in § 12 Abs. 1 bis 3 AGG genannten Maßnahmen beweissicher zu dokumentieren.
    Es besteht im übrigen eine Verpflichtung des Arbeitgebers, das AGG, die Vorschrift des § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz (Besondere Klagefrist binnen drei Monaten nach dem Verstoß), sowie Informationen über die Behandlung von Beschwerden im Betrieb bekannt zu machen, in der Regel durch Aushang oder Auslegung.

  5. Wenn eine gesetzeswidrige Benachteiligung vorliegt und der Arbeitgeber dagegen nicht vorgeht, so hat der betroffene Beschäftigte grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG) bezüglich seiner Arbeitsleistung, ohne dass er den Anspruch auf den Arbeitslohn verliert. Das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers entsteht, wenn der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen ergreift, um eine Benachteiligung zu unterbinden. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht sowohl bei Belästigung, die vom Arbeitgeber selbst als auch von anderen Beschäftigten erfolgen. Geht allerdings die Benachteiligung nicht vom Arbeitgeber aus, so muss man vom Mitarbeiter natürlich eine Mitteilung an den Arbeitgeber verlangen, da er nur bei Kenntnis geeignete Maßnahmen ergreifen kann. Im Rahmen der Abwägung muss allerdings der Beschäftigte prüfen, ob die Leistungsverweigerung tatsächlich in der richtigen Relation zu der Schwere der Belästigung steht. Insofern ist es ein großes Risiko des Beschäftigten, sich auf dieses Leistungsverweigerungsrecht zu berufen. Liegt er hier offensichtlich falsch, so kann dies eine Abmahnung oder Kündigung nach sich ziehen.

    Der Arbeitgeber darf Beschäftigte wegen der Wahrnehmung ihrer Rechte, z. B. das Beschwerderecht oder das Leistungsverweigerungsrecht nicht benachteiligen bzw. maßregeln (Maßregelungsverbot, § 16 AGG). Auch darf die Reaktion, Duldung bzw. Zurückweisung von benachteiligenden Verhaltensweisen durch den Betroffenen nicht als Grundlage für eine Entscheidung des Arbeitgebers herangezogen werden. Das heißt z. B. eine Abmahnung eines Mitarbeiters, der sich gegen eine benachteiligende Behandlung wehrt, ist unzulässig.

    Des Weiteren besteht ein Diskriminierungskündigungsschutz. Es ist zwar in § 2 Abs. 4 AGG geregelt, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Doch auch früher schon führte ein sittenwidriger und damit diskriminierender Kündigungsgrund zur Unwirksamkeit der entsprechenden Kündigung. Dies dürfte immer noch so sein. Ob daneben noch immaterielle Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG bestehen können, ist noch nicht geklärt und muss abgewartet werden

    Wenn sich der Mitarbeiter beschwert, so hat der Arbeitgeber die Beschwerde zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung dem Beschäftigten mitzuteilen. Für die Art und Weise und den zeitlichen Umfang dieser Prüfung ist allerdings ebenso wenig eine Regelung vorhanden, wie für die Form der Mitteilung an den Beschäftigten.

  6. In § 15 AGG ist sehr weitgehend die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausgleich vorgesehen. Dabei wird zwischen Schadenersatz (§ 15 Abs. 1 AGG) als Verpflichtung zum Ausgleich der entstandenen Vermögensschäden und Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) unterschieden. Entschädigung ist zum Ausgleich desjenigen Schadens bestimmt, der nicht Vermögensschaden ist, also eine Art Schmerzensgeld.

    § 15 Abs. 1 AGG regelt, dass bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Arbeitgeber verpflichtet ist, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, also kein Verschulden vorliegt. Der Arbeitgeber haftet auf Schadenersatz also bei eigenem bzw. ihm zuzurechnendem Handeln seiner Organe und Erfüllungsgehilfen und dieses muss schuldhaft sein. Die Beweislastregel besagt dazu, dass für den Fall, dass der Beschäftigte ausreichend detailliert die gesetzeswidrige Benachteiligung darlegen kann, der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass ein Verschulden nicht vorliegt. Der Arbeitgeber hat folglich Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot zu vertreten, die er selbst vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat. Ein solches eigenes Verschulden liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber die ihm nach § 12 AGG obliegenden Organisationspflichten nicht erfüllt hat. Kommt der Arbeitgeber seinen Pflichten im Sinne des § 12 AGG, z. B. der Schulungspflicht, hingegen nach, so haftet er nicht aufgrund eigenen Verschuldens für einen Verstoß eines Beschäftigten.

    Zurechnung fremden Verschuldens Hier wird dem Arbeitgeber aber nur das Handeln zugerechnet, das von Mitarbeitern gegenüber Beschäftigten begangen wird, wenn den Mitarbeitern ein Weisungsrecht übertragen wurde, d. h. bei leitenden Mitarbeitern und sonstigen Vorgesetzten.

    Rechtsfolge: Ein Schadensersatz in Form einer Einstellung oder eines beruflichen Aufstiegs ist als Rechtsfolge ausdrücklich durch § 15 Abs. 6 ausgenommen, es sei denn der Anspruch besteht aus anderen Gründen.
    Als Schadenersatz dürfte hier das Differenzeinkommen zu sehen sein, wobei eine Beschränkung auf eine gewisse Dauer von der Rechtsprechung sicherlich vorgenommen werden wird. Diskutiert wird hier eine Beschränkung bis zur nächsten möglichen Kündigung, wobei allerdings noch abgewartet werden muss, ob die Rechtsprechung dies so übernimmt. Im Rahmen einer diskriminierenden Kündigung kann allerdings die Fortführung des Arbeits- verhältnisses als Schadenersatz durchgesetzt werden.

    § 15 Abs. 2 AGG: Der Anspruch auf Entschädigung ist ausschließlich auf Geldzahlung gerichtet. In § 611 a BGB existierte schon eine Regelung für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg. Dies gilt nun für alle Merkmale des § 1 AGG. Die Entschädigung ist bei einer diskriminierenden Nichteinstellung auf drei Monatsgehälter beschränkt, wenn der oder die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. In allen anderen Fällen ist die Entschädigung ohne Obergrenze!

    Das Arbeitsgericht Berlin hat in einer Entscheidung, die noch vor Inkrafttreten des AGG, direkt unter Bezugnahme auf die europäische Richtlinie 2000/78/EG getroffen wurde, entschieden, dass einer abgelehnten Bewerberin ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 6 Monatsgehältern zusteht. (ArbG Berlin vom 13.07.2005, 86 Ca 24618/04).

    Ein weiteres Beispiel für ausufernde Haftungsansprüche ist folgendes: Bewerben sich beispielsweise auf eine diskriminierende Ausschreibung 99 Männer und eine Frau und erfüllt nur die Bewerberin optimal die Anforderung an die Stelle und wird sie deshalb eingestellt, müsste der Arbeitgeber an die 99 männlichen Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld zahlen. (Wank in NZA 2004 Sonderbeilage zu Heft 22, S.16 ff.) Der Fehler des Arbeitgebers liegt in diesem Fall natürlich da drin, dass es eine Fehlerhafte Ausschreibung bzw. Stellenanzeige geschaltet hat.
    Wichtig hierbei ist noch, dass der Anspruch auf Entschädigungszahlung grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Liegt ein Verstoß vor, so löst dies den Anspruch auf Entschädigungszahlung aus. Die Zurechnung der Beauftragten des Arbeitgebers oder seiner Organe geschieht in gleicher Form wie beim Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 15 Abs. 1 AGG.

    Geschieht der Verstoß allerdings bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarung, also einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages, ist der Arbeitgeber nur bei schuldhaftem Handeln und zwar nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Tun zur Entschädigung verpflichtet (§ 15 Abs 3 AGG).

    Ein Anspruch auf Entschädigung ist vom Arbeitnehmer bzw. Bewerber form- und fristgebunden geltend zu machen. Es ist schriftliche Geltendmachung binnen zwei Monaten erforderlich, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung. In den sonstigen Fällen einer Benachteiligung beginnt sie zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftige von einer Benachteiligung Kenntnis erlangt (§ 15 Abs. 4 AGG). Hinzu kommt das in § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz enthaltene Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung binnen weiterer drei Monate.

  7. Gerichtliche Geltendmachung
    Die Darlegungs- und Beweislast ist abgestuft. Der Benachteiligte hat darzulegen, dass er im Verhältnis zumindest zu einer anderen Person nachteilig behandelt worden ist. Er muss weiterhin Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass diese Benachteiligung auf einem der in § 1 genannten Merkmale beruht. Bestreitet der Arbeitgeber ausreichend substantiiert, so ist der Beschäftigte zum Beweis seines Vortrages verpflichtet. Dabei reicht es aus, wenn das Gericht das Vorliegen der genannten Tatsachen für überwiegend wahrscheinlich hält. Gelingt dies, so tritt zunächst eine in § 22 AGG genannte Vermutungswirkung ein. Der Arbeitgeber hat dann die Verpflichtung darzulegen und zu beweisen, dass die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt oder sonst nach Maßgabe der Vorschriften des AGG zulässig ist, d. h. dass ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 5, 8 bis 10 AGG vorliegt.

    Lediglich bei einer bloß mittelbaren Benachteiligung (§ 2 Abs. 2 AGG) muss der Beschäftigte auch das Nichtvorliegen eines Rechtfertigungsgrundes darlegen und beweisen, da dies in diesem Fall Tatbestandsmerkmal des Anspruchs ist.

  8. Schon zur Zeiten der Geltung des § 611a BGB, der die geschlechterspezifische Diskriminierung bei der Arbeitsplatzausschreibung sanktionierte, gab es Fälle, in denen Personen ein Geschäft daraus gemacht haben, sich auf diskriminierende Stellenausschreibungen zu bewerben, um dann die Entschädigung zu verlangen. Dieses "611a-hopping" wurde zwar insbesondere auch vom Landesarbeitsgericht Berlin mit Hinweis auf die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der gesetzlichen Vorschriften durch klageabweisende Urteile sanktioniert (z.B.: LAG Berlin vom 14.07.2004, 15 Sa 417/04).

    Es ist aber zu befürchten, dass auch das AGG zu ähnlichen Auswüchsen führen wird. Um diesem vorzubeugen gibt es bereits unter www.agg-hopping.de eine Datenbank die man befragen kann, um herauszufinden, ob eine bestimmte Person, die Entschädigungsansprüche geltend macht, in ähnlicher Weise bereits andernorts in Erscheinung getreten ist. Dies ist wichtig, da nach der Rechtssprechung des BAG serienmäßig gezielte Bewerbungen auf Stellenanzeigen mit diskriminierungsrelevanten Inhalt ein Indiz dafür sind, dass es sich nicht um eine subjektiv ernsthafte Bewerbung handelt. Dann besteht auch kein Entschädigungsanspruch. (BAG vom 12.11.1998, 8 AZR 365/97)

  9. Fazit

    Es wird sicher häufiger vorkommen, dass der Beschäftigte eine nachteilige Behandlung und auch das objektive Vorliegen eines der in § 1 AGG genannten Unterscheidungsmerkmale darlegen und beweisen kann. Viel schwieriger wird es für den Beschäftigten werden, glaubhaft zu machen, dass die nachteilige Behandlung auch kausal auf diesem Merkmal beruht.

    Dies bedeutet in der Praxis, dass der Arbeitgeber tunlichst darauf achten sollte, seine Stellen- anzeigen geschlechts-, alters- und religionsneutral zu formulieren und Auswahlkriterien für Einstellung bzw. für Förderungen objektiv zu formulieren. Wenn erst einmal eine "falsche" Äußerung oder eine nicht neutrale Stellenanzeige in der Welt ist, wird es dem Arbeitgeber schwer fallen, den Nachweis zu führen, dass der nicht berücksichtigte Bewerber oder Beschäftigte nur aus einem anderen Grund nicht eingestellt oder befördert wurde.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und seine Auswirkung auf das Arbeitsrecht als PDF Datei.

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